Experten-Tipps

Dr. Gabriela-Maria Straka über Nachhaltigkeit im Alltag

Dr. Gabriela-Maria Straka im Interview zum Thema Nachhaltigkeit im Alltag. © Karolina Siewko

Sie ist Koryphäe auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit. Dr. Gabriela-Maria Straka macht Umweltschutz verständlich und teilt ihr Know-How mit uns in einem exklusiven Interview.

Warum behandeln wir die Welt, auf der wir leben, so stiefmütterlich? Vielen fehlen im Alltag die Energie und die Zeit, sich mit Umweltschutz auseinanderzusetzen, doch dass unser Alltag schon bald nicht mehr derselbe sein wird, wenn wir uns nicht damit beschäftigen, schieben wir in unserem Kopf ganz nach hinten. Im Gespräch mit der Expertin Dr. Gabriela-Maria Straka konnten wir die Hintergründe zum Klimawandel erfahren und was wir als Einzelperson tun können, um unseren Alltag nachhaltiger zu gestalten. 
 

Sie lernen viele Menschen bei Ihren Vorträgen kennen. Welche Umwelt-Themen beschäftigen die Gesellschaft momentan am meisten?

Dr. Gabriela-Maria Straka: In meinen Fachvorträgen werde ich stets auf alternative Energiequellen angesprochen. Von Biomasse bis Wasserkraft, Meeres- und Sonnenenergie und Windenergie. Neben Energie ist auch Mobilität, Ernährung und Kleidung ein Alltagsthema. Hier möchten viele einen aktiven Beitrag leisten und benötigen noch mehr Informationen und Unterstützung, wie sie es am besten angehen können. 

Wenn wir uns das Thema Kleidung genauer ansehen, in welchen Punkten ist sie schlecht für die Umwelt?

Tatsächlich werden etwa 8000 Chemikalien in der Textilindustrie eingesetzt. Kleidungsstücke werden gebleicht oder gefärbt, knitterfrei, schmutz- und wasserabweisend gemacht. Mitunter ist die Modeindustrie damit eine der weltweit größten Umweltsünderinnen. Jährlich verursacht sie über eine Milliarde Tonnen CO2. 

Wäre es besser, Produkte aus den nachhaltigen Linien der Unternehmen zu kaufen?

Die Textilindustrie reagierte auf die Verunsicherung der Umweltverschmutzung durch Kleidung mit einer Flut sogenannter Ökolabels. Die Botschaft heißt: „naturbelassen“ und „ohne Schadstoffe“. Leider sind die Kriterien dafür nicht einheitlich. Daher ist ein Vergleich unterschiedlicher Zeichen nicht möglich

„Bio-Baumwolle, Hanffaser und Bioleinen, Sojaseide und recyceltes Polyester entsprechen festgelegten Nachhaltigkeitsstandards.“ Dr. Gabriela-Maria Straka

Woran erkennt man dann,  ob ein Produkt wirklich  nachhaltig ist? 

Damit Textilien als nachhaltig eingestuft werden, müssen sie in drei Bereichen nachhaltig sein: ökologisch, ökonomisch und sozial. Schon bei der Rohstoffgewinnung sind diese Bereiche von großer Bedeutung und werden auch bis zum Ende der Lieferkette beachtet. Diese 5 Textilien entsprechen festgelegten Nachhaltigkeitsstandards: Bio-Baumwolle, Hanffaser und Bioleinen, Sojaseide und recyceltes Polyester
 

Wie nachhaltig ist es, alte  Kleidung zum Altkleider- Container zu bringen? 

Wenn die Kleidung an seriöse Anbieter und Betreiber der Container gegeben wird, macht das Sammeln Sinn.

Denn alte Kleider aus den Containern werden auf verschiedene Weise verwertet. Vieles wird an bedürftige menschen weitergegeben (z.b Rotes Kreuz, caritas, Humana, Volkshilfe, Kolping) oder in Second-Hand-Läden verkauft. Andere werden recycelt und zu neuen Produkten verwertet.

Leider gibt es aber auch unter Altkleidersammlern schwarze Schafe, denn die Konkurrenz von gewinnorientierten Unternehmen, die sich ein soziales Mäntelchen umhängen, ist hoch.

Stimmt es, dass ein Großteil der gespendeten Kleidung nicht mehr getragen wird, sondern in den Müll wandert?

Ein Großteil der gesammelten Textilien ist nicht mehr als Kleidung verwendbar. Nur was von guter Qualität und in gutem Zustand ist, eignet sich für die Kleidersammlung.

Alles andere gehört in den Restmüll. Es ist jedoch sinnvoll diese Container zu nützen, denn zum Beispiel Kolping Österreich stellt sicher, dass bei Bedarf die Kleider direkt an Flüchtlingsheime – nicht nur in Österreich, sondern auch in Rumänien oder Moldawien – gespendet werden können.

Laut Information der Firma Öpula sind rund 40 bis 50 % der gespendeten Kleidungsstücke noch tragbar. Sie werden zum Teil weiterverkauft. Mit dem Erlös werden soziale Einrichtungen und Projekte wie Einrichtungen für Mütter und Kinder oder Beratungsstellen für Jugendliche und Familien finanziert.

Wie kann man die gemeinnützigen Organisationen von den "schwarzen Schafen" unterscheiden?

Diese sind an folgenden Merkmalen erkennbar: emotional klingender Vereinsname wie "Hilfe für Flutopfer" oder es zieren Symbole wie Kirche und Kreuz mit Appellen an die Hilfsbereitschaft. 

Welche Faktoren sind zum großen Teil verantwortlich, dass unser Klimawandel so rasend voranschreitet? 

Es handelt sich um einen „menschengemachten“ Klimawandel, das ist eine Folge von Netto-Treibhausgasemissionen, die seit Beginn der Industrialisierung durch Nutzung von fossilen Energieressourcen sowie nicht-nachhaltiger Forst- und Landwirtschaft entstanden sind. Diese Treibhausgasemissionen verstärken den natürlichen „Treibhauseffekt“ seit dem Beginn der industriellen Revolution. Die Geschwindigkeit des Konzentrationsanstiegs ist die schnellste der letzten 22.000 Jahre. 

Ist die Elektro-Smog-Belastung bei Elektroautos höher als bei treibstoffbetriebenen Fahrzeugen? 

Unabhängig vom Antriebssystem verfügen moderne Fahrzeuge über eine Vielzahl elektromagnetischer Quellen, wie beispielsweise Klimaanlagen, Lüfter, Sitzheizungen, Assistenz-, Komfort- und Unterhaltungssysteme. Diese nutzen hochfrequente elektromagnetische Felder für die drahtlose Informationsübertragung per Funk. So nimmt nicht nur in Elektroautos die elektrische Strahlung zu, sondern auch in allen anderen Fahrzeugen. 

„Die elektrische Strahlung nimmt nicht nur in Elektroautos zu, sondern auch in allen anderen modernen Fahrzeugen.“ Dr. Gabriela-Maria Straka

Können wir etwas tun, um den Elektro-Smog zu reduzieren, außer weniger Auto zu fahren?

Was in jedem Fahrzeug beachtet werden sollte: Funktionen wie Funk, WLAN, Bluetooth und Ortungsgeräte nur in Betrieb haben, wenn Sie diese nutzen müssen. Nicht mit Ihrem Handy im Auto telefonieren. Wenn dies dennoch notwendig ist, ist es ratsam, eine Freisprechanlage oder bestenfalls eine Außenantenne zu benutzen. Diese verbessert den Empfang und senkt die Elektro-Smog-Belastung im Auto. 

Was können wir als Einzelperson beitragen, um unseren Alltag nachhaltiger zu gestalten? 

Jeder kann in seinem Alltag viele Dinge dafür tun, dass Tier- und Pflanzenarten geschützt werden, weniger Müll in der Natur landet und keine Lebensmittel mehr unnötig verschwendet werden. Daher gilt: Der tägliche Konsum „zählt“. Wir können nicht diejenigen Unternehmen beschuldigen, unsere Umwelt kaputtzumachen, bei denen wir kaufen. Es liegt in unserer eigenen Verantwortung. 

Ist es für die Umwelt besser Butter oder Margarine zu konsumieren?

Es kommt darauf an, welche Art von Margarine man wählt und wie viel Butter man konsumiert. Im Gegensatz zur Butter wird Margarine aus verschiedenen Pflanzen gewonnen und hat damit eine viel bessere Klimabilanz als die Butterproduktion, die einen drei Mal so großen ökologischen Fußabdruck hat.

Dennoch enthält Butter wertvolle Inhaltsstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe. Margarine hingegen wird meist mit Palmöl hergestellt, was wiederum die Umwelt schwer belastet. 

Palmöl wird als DIE Umweltsünde suggeriert. Was genau ist so schlecht an dem Öl?

Um Palmöl-Plantagen anzubauen, wird der Regenwald gerodet und in Teilen sogar illegal niedergebrannt. Durch das Niederbrennen des Regenwalds schreitet der Klimawandel immer schneller voran und begünstigt außerdem den Treibhauseffekt.

Ölpalmen werden – wie viele andere gewinnbringende Pflanzen auch – meist in Monokulturen angebaut. Dafür müssen viele Pflanzen- sowie Tierarten weichen, da ihr einziger Lebensraum verschwindet. Das führt zu einem Verlust der Biodiversität und führt zu massiven Artensterben.

Palmfett ist vielfältig einsetzbar: es befindet sich in Lebensmitteln, Kosmetik, Reinigungsmitteln, Pharmazieerzeugnissen, Futtermitteln für Tiere und in Biokraftstoffen. Das macht es auch sehr schwierig auf Palmöl überall zu verzichten.

Wir alle streamen Filme und Musik. Ist diese Unterhaltung ein Energiefresser? 

Laut verschiedenen Schätzungen liegt der weltweite Energieverbrauch durch Streaming bei etwa 200 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Der Großteil der verbrauchten Energie geht auf die Server der Streamingdienste und auf die Datenübertragung zurück.

Können wir unser Streaming-Verhalten stromsparender gestalten?

Der Stromverbrauch von Streamingdiensten hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Auflösung, dem Datenvolumen, dem verwendeten Gerät und der Art der gestreamten Inhalte.

Video-Streaming verbraucht im Durchschnitt pro Stunde rund 0.19 Kilowattstunden, während Musik-Streaming nur etwa 40 Megabyte pro Stunde verbraucht. Je höher die Auflösung, desto mehr Daten müssen übertragen werden und desto mehr Energie wird benötigt. Zum Beispiel ein 4K-Video verbraucht etwa viermal so viel Strom wie ein HD-Video.

Das Gerät, auf dem man streamt, spielt auch eine Rolle: Smartphones und Tablets verbrauchen weniger Strom als Fernseher oder Computer, da sie kleinere Bildschirme haben und weniger Rechenleistung benötigen.  Es wäre daher sinnvoll die Auflösung herunterzuschrauben und Inhalte möglichst oft auf Smartphones wiederzugeben, um den Energieverbrauch beim Streaming zu senken.

Sind Rasierhobel eine gute Alternative zu Einwegrasierern?

Die Lösung liegt in der Wiederverwertung, denn das Recycling von Metall spart eine große Menge an Ressourcen ein und trägt dadurch aktiv zum Umweltschutz bei. Die Voraussetzung ist, dass zuallererst die richtige Mülltrennung eine sortenreine Sammlung gewährleistet. Von Einwegprodukten sollte generell abgesehen werden.

Also ist Metall (wenn sortenrein) besser als Plastik für die Umwelt?

Metallische Rohstoffe sind vielfältig recycelbar als nachhaltiger Werkstoff. Zu beachten: Die Produktion beziehungsweise der Abbau von Metall als Rohstoff hat sehr wohl seine Schattenseiten. Denn die Gewinnung von Eisenerz, aus dem Aluminium hergestellt wird, geht oft mit Waldrodungen einher. Und weil metallische Rohstoffe aus der Erdoberfläche gewonnen werden, sind sie auch nicht erneuerbar und keine nachwachsenden Rohstoffe.

Die beliebte Avocado-Frucht wird oft an den Pranger gestellt. Zurecht? 

Die Avocado Frucht muss sehr weite Transportwege zurücklegen. Daher hat die Avocado eine verhältnismäßig schlechte Umweltbilanz und sollte daher nicht allzu häufig auf dem Speiseplan stehen – heimische Früchte schneiden deutlich besser ab.

Der Transport mit dem Flugzeug oder Schiff aus überwiegend Südamerika oder Indonesien sorgt dafür, dass der Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlenstoffdioxid (CO₂) in die Höhe getrieben wird.  Das Nachreifen in klimatisierten Hallen ist ebenfalls sehr energieaufwendig.

Außerdem werden für die Avocado-Plantagen in manchen Ländern natürliche Wälder in größerem Stil gerodet. und der Wasserverbrauch beim Anbau ist enorm hoch. 

Ist der Wasserverbrauch beim Avocado-Anbau höher als bei der Fleischerzeugung?

Der Avocado-Anbau verbraucht viel Wasser – in manchen Gegenden mehrere Hundert Liter pro Kilogramm Frucht. Zwar ist der Wasserverbrauch in der Herstellung von Fleisch noch höher, der Vergleich ist jedoch nicht stimmig, denn: Nicht der Wasserverbrauch an sich ist das Problem, sondern die Tatsache, dass Avocados meist in Gegenden produziert werden, wo Wasser knapp ist und für andere Pflanzen oder Menschen fehlt.

Gibt es eine Möglichkeit die gesunde Frucht nachhaltig zu erwerben?

Ernährungstechnisch wäre es sinnvoll, täglich Avocado zu essen. Sie liefern unter anderem viel Folsäure, Vitamin K, die Vitamin D, B6 und Vitamin E sowie Kalium und Kalzium. Außerdem sind sie reich an ungesättigten Fettsäuren. 

Umweltfreundlicher als die Avocado im Supermarkt zu kaufen ist es eigentlich nur, die Pflanze selbst anzubauen. Das verlangt jedoch Geduld: Bis die Pflanze Früchte trägt, vergehen 6-10 Jahre. Nüsse, Oliven oder Rote Beete könnten bis dahin eine gute Alternative sein.

4 interessante Fakten zu unserem alltäglichen Leben:

  • Butter oder Margarine? 
    Margarine hat eine viel bessere Klimabilanz als die Butterproduktion, die einen 3 Mal so großen ökologischen Fußabdruck hat. Dennoch enthält Butter wertvolle Inhaltsstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe. Margarine hingegen wird meist mit Palmöl hergestellt, was wiederum die Umwelt schwer belastet. 

  • Streaming als Energiefresser? 
    Laut verschiedenen Schätzungen liegt der weltweite Energieverbrauch durch Streaming bei etwa 200 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Der Großteil der verbrauchten Energie geht auf die Server der Streamingdienste und auf die Datenübertragung zurück.

  • Rasierhobel statt Einwegrasierer! 
    Die Lösung liegt in der Wiederverwertung, denn das Recycling von Metall spart eine große Menge an Ressourcen ein und trägt dadurch aktiv zum Umweltschutz bei. Die Voraussetzung ist, dass zuallererst die richtige Mülltrennung eine sortenreine Sammlung gewährleistet. 

  • Klima-Sünde Avocado:
    Der Wasserverbrauch in der Herstellung zum Beispiel von Fleisch ist noch höher als der von Avocados, der Vergleich ist jedoch nicht stimmig, denn: Nicht der Wasserverbrauch an sich ist das Problem, sondern die Tatsache, dass Avocados meist in Gegenden produziert werden, wo Wasser ohnehin knapp ist.

Dr. Gabriela-Maria Straka
Dr. Gabriela-Maria Straka

ESG Sustainability & Corporate Affairs Director und Mitglied der Geschäftsleitung in der führenden Markenartikelindustrie, erneut zur besten Unternehmenssprecherin 2023 im Bereich Markenartikel gewählt worden, Vorstandsmitglied von Respact, Österreichs führende Plattform für CSR, Beirätin für ESG Businesscircle, Business Upper Austria und Senat der Wirtschaft, Lektorin für ESG Fachausbildung sowie gefragte Key Note Speakerin für Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Unternehmenskommunikation.

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